Graupapageien sind hilfsbereit – und superklug

Verhalten Die Vögel zeigen sich in Experimenten uneigennützig – mehr als gewisse Menschenaffen.

Graupapageien haben es nicht leicht. Zwar stellte die Art schon vor Jahrzehnten mit dem gewandt parlierenden Alex einen Star, der es zu einiger Berühmtheit brachte. Trotzdem stand die Spezies stets im Schatten anderer, etwa der als superklug und sozial gerühmten Rabenvögel. Das könnte sich nun ändern.

Dies legt zumindest eine Studie von Biologinnen des Max-Planck-Instituts für Ornithologie in Seewiesen nahe. Demnach sind Graupapageien derart hilfsbereit und koordinieren ihre Unterstützung für Artgenossen so geschickt, dass sie damit alle anderen bisher untersuchten Vogelarten übertrumpfen.

Für das Tauschexperiment sassen jeweils zwei Vögel in benachbarten Abteilen, die durch eine kleine Öffnung miteinander verbunden waren. Einer der Papageien besass Wertmarken, die er seinem Partner reichen konnte. Diese Marken wiederum konnte der beschenkte Vogel bei einem Forscher, der vor dem zweiten Käfig sass, gegen Nüsse eintauschen. Diese Tausch geschäfte gingen sieben der acht Graupapageien bereits im ersten Versuch ein.

Grosse kognitive Leistung

Das Tier im ersten Abteil konnte keinen Kontakt zu dem Menschen aufnehmen – und damit auch nicht an die Leckerbissen gelangen. Es hatte also nichts zu verlieren, wenn er seinem Artgenossen zu Futter verhalf, unmittelbar aber auch nichts zu gewinnen. Dass ein Vogel den anderen in dieser Situation unterstützt, zeugt nicht nur von Hilfsbereitschaft, sondern auch von einer nicht zu unterschätzenden kognitiven Leistung. Schliesslich musste der Papagei mit den Wertmarken erkennen, welche Hilfsmittel sein Partner zur Futterbeschaffung brauchte.

Weitere Experimente zeigten zudem, dass die Vögel die Marken keineswegs ziellos abgaben – etwa dann nicht, wenn der zweite Papagei keine Möglichkeit hatte, mit dem Menschen in Kontakt zu kommen. Dagegen florierten die Tauschgeschäfte besonders, wenn sich die beiden beteiligten Vögel gut vertrugen. Somit haben Graupapageien eine intrinsische Motivation, Gruppenmitgliedern zu helfen, folgern die beiden Autorinnen.

In einem vergleichbaren Experiment hatten sich bereits Orang-Utans und Bonobos ähnlich hilfsbereit gezeigt wie nun die Graupapageien. Schimpansen, Gorillas und Raben hingegen gaben kaum einmal eine Wertmarke ab. Der Grund für diese unterschiedlichen Ergebnisse ist noch unklar.

Auch bei den Graupapageien rätseln die Biologinnen, wie und warum es zur Hilfsbereitschaft kommt. Womöglich spielt die Lebensweise eine Rolle. Graupapageien leben in grossen Gruppen mit bis zu 1200 Individuen, die sich stetig neu zusammensetzen. Vielleicht zahlt es sich angesichts der häufig wechselnden Nachbarn besonders aus, sich grosszügig zu zeigen und beständig an seinem guten Ruf zu feilen.

Artikel von Katrin Blawat
Erschienen im TagesAnzeiger, 14. Januar 2020